Biker
Feuerstuhl-Mops auf Rolling Wheels
Ein Mann, vollbärtig, leicht angegraut, in schwarzem Leder und Motorradkappe kommt jetzt herein. Ein Hüne von Kerl. Sein langer, mit Haarbändern zusammengebundener Pferdeschwanz ruht verwegen auf der Schulter, ein metallener Ohrring baumelt am linken Ohrläppchen. Seine riesigen Füße stecken in hohen, dreckverschmierten Schaftstiefeln, und auf seiner vom Regen schweren, abgewetzten Motorradkombination prangt der Aufdruck "Rolling Wheels Berlin". Ich schlucke zwei-, dreimal und konzentriere mich auf die Tastatur meines Laptops, während das Blut in meine Füße sackt und mir die schaurigsten Rocker- und Bikergeschichten durch den Kopf gehen. Hells Angels, Bandidos, Born to be Wild, aber Rolling Wheels? Bei dem Namen fällt mir keine der einschlägigen, angstschweißtreibenden Banden-Geschichten ein, und als ich registriere, dass dieser Mann einen niedlichen Mops dabei hat, schaue ich neugierig wieder auf.
Dann krault sie dem Hundchen noch einmal durch das glatte Fell und kommentiert: "So, mein Guter, damit kommst du sicher durch den Sommer, und Herrchen braucht sich keine Gedanken mehr zu machen, wenn du durch die Felder tobst." Daraufhin verabschiedet sich der warmherzige Mann in der schwarzen Leder-Montur und nimmt das kläffende Paket Mops unter den muskelbepackten Biker-Arm, der gleich seinen PS-starken Feuerstuhl zum Donnern bringen wird. Gleichzeitig schiebt er sich dankend ein Stückchen Kirschkuchen zwischen die Zähne und fragt beim Hinausgehen genüsslich kauend und schmatzend: "Frau Doktor, wenn Sie wieder mal Zellstoff und Verbandsmaterial oder Ähnliches brauchen, sagen Sie mir Bescheid. Ich kann das günstig beschaffen und bring's Ihnen auch noch vorbei, wenn Sie mögen."
"Was für ein einfühlsamer, respektvoller Mensch und wie liebevoll er mit seinem süßen Hund umgeht!", platzte ich heraus, als sich die Tür hinter dem Mann wieder schließt. "Ja, das stimmt", meint auch Renate Lorenz nachdenklich lächelnd. "Ich kenne ihn jetzt schon sehr lange. Er ist von Beruf Sterbebegleiter und im Umgang mit den teilweise sehr betagten, todkranken Menschen genauso liebenswert, feinfühlig und engagiert, wie wir es gerade erlebt haben. Von seiner Sorte gibt es heute nur noch wenige. Alle rennen und rennen dem Geld hinterher und merken gar nicht, wie arm sie dabei werden!"