Der Anfang

Wie es zu der Praxiseröffnung kam


Renate Lorenz schwieg für einen Augenblick, in dem ein spürbares Frösteln im Raume steht, "noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke, was mich nicht nur unendlich traurig machte, sondern auch verzweifelt und wütend zugleich und mich bis heute in meinen Träumen verfolgt." Ihr Ton wird scharf und ihr ganzer Körper spannt sich sichtbar an, während ihr das Blut in die Wangen schießt, "ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen: Ich befand mich in den Abschluss-Examina an der Uni, und in meiner Doktorarbeit sollte ich thermoresistente Keime in der Darmflora untersuchen. Das Problem bei dieser Geschichte ist nur, dass es sich dabei um anaerobe Keime handelt, die sofort absterben, wenn sie der Luft ausgesetzt sind. Tierversuche waren also angeordnet worden und ich musste ein Meerschweinchen töten. Ich habe es getan und - ich würde es nie wieder tun! Für keinen Doktortitel dieser Welt. Wie es mich ansah, als es so unschuldig starb - ich werde es nicht vergessen. Schweißnass bin ich manchmal am Morgen, wenn ich aufwache und dieses Tier wieder vor mir sehe. Dann wird mir eines erneut klar: Es war richtig - die Entscheidung, die ich damals traf. Ein eindeutiges Nein und sonst gar nichts zu jeder Form von Tierversuchen!

Für meine - ich nenne es mal Zivilcourage - habe ich bluten müssen. Nicht weil ich auch die Versuche der Humanmediziner an Ratten, zu denen - das muss ich zugeben - auch ich ein zwiespältiges Verhältnis habe, seitdem nicht mehr kommentarlos stehen lassen konnte. Nein, etwas noch viel Grausameres ist mir damals an der Uni passiert. Eines Tages - ich war als junge wissenschaftliche Assistentin mit meinen Laborergebnissen beschäftigt - kam einer der Präparatoren auf mich zu und sagte, dass in einem Nachbarraum irgendwelche Versuche an Affen, die aus dem Versuchslabor eines Pharmakonzerns für weitere Experimente zu uns an die Fakultät gekommen waren, unternommen würden. Ich bin gleich hin. Die Tür war versperrt, und mit einem unguten Gefühl in der Magengrube habe ich meinen Schlüssel genommen und aufgeschlossen. Ich muss wohl schon kreidebleich gewesen sein, als ich mit zitternden Knien hineinging, und was ich sah, möchte ich eigentlich vergessen, kann es aber nicht. Bis heute nicht! Sie hatten den Affen bei unzureichend ausgeführter Narkose die Hände amputiert und während die Tiere unter größten Schmerzen die unnatürlichsten Laute, die ich je in meinem Leben gehört habe, von sich gaben, injizierten sie in aller Seelenruhe Lösungen in deren abgetrennte Hände, um die Lymphgefäße in ihnen beim Röntgen besser darstellen zu können. Ich selbst bin bei diesem Anblick zuerst erstarrt. Dann bin ich fast ausgerastet. Ich habe sofort Anzeige erstattet und den Amtstierarzt angerufen. Er kam schon am nächsten Tag und obwohl es keine, bei Tierversuchen vorgeschriebene und stets notwendige Genehmigung für solche Experimente gab, war ich es, die am Ende die Zeche zahlte: Ich wurde nämlich am nächsten Tag bereits mit Hausverbot belegt und nicht gerade höflich aufgefordert, mein Zimmer sofort zu räumen und zu gehen. Nicht die, die unerlaubt nicht genehmigte Versuche unternommen hatten!

Von Rosa Bunt