Toni

Antonia, die Badkatze

Eine sensible Mitbewohnerin

Toni, mit vollem Namen Antonia, wurde mit ihrem Bruder Pünktchen bei uns abgegeben. Die zwei wurden als Jungtiere aus einem Abflussrohr gerettet und zu uns gebracht. Toni wird von uns Badezimmerkatze genannt, weil sie im Badezimmer die meiste Zeit des Tages ihren Stammplatz hat. Die Geschichte von Antonia und Pünktchen gehört zu den anrührendsten, die wir bisher erzählen konnten ...

Auf einer Baustelle irgendwo in Lichtenrade lebte im Mai 2000 eine Katzenfamilie wild und ungebunden ohne jeden Menschenkontakt in einem alten Kanalrohr. Wahrscheinlich war für die Mutter und ihre etwa vier Wochen alten Welpen die Welt in Ordnung, denn dort hatte sich die Kätzin schon eine ganze Weile häuslich eingerichtet und dort wurde auch ihr Nachwuchs geboren. Doch eines Tages wurde die Mutter von einem Auto erfasst und überfahren. Ihre vier Kinder bleiben allein zurück in der Röhre, und einer der Kater - später Pünktchen genannt - verteidigte tapfer seine drei Geschwister.

Die kleinen Kätzchen bissen, spuckten und kratzen, sie ließen niemanden an sich ran. Also musste jemand in die Röhre kriechen, die Tiere mit einer Decke einfangen und herausziehen. Der Retter brachte die vier recht kräftigen Wildfänge, drei Kater und ein Kätzchen, in die Praxis, wo sie mangels anderer geeigneter Räumlichkeiten im Badezimmer eingeschlossen wurden. "Wir brauchten einen Raum, in dem wir die Kätzchen jederzeit finden und in die Hand nehmen können", erklärt Dr. Lorenz. Schließlich galt es nicht nur die Kätzchen medizinisch zu versorgen, sondern sie mussten auch erst einmal an den Menschen gewöhnt und gezähmt werden. Das war zunächst im Bad am einfachsten zu bewerkstelligen, denn dort konnte man die Katzenwelpen in aller Ruhe regelmäßig ansprechen, anfassen und ihnen erste Erfahrungen mit Menschen ermöglichen.

Mit dieser zeitraubenden Aufgabe wurden, wie im Hause Lorenz üblich, alle Mitarbeiter und später auch ausgewählte Patienten betraut. So wundert es nicht, dass zwei der Katzenkinder recht schnell bei einer Patienten-Familie untergebracht werden konnten. Die beiden Kater kommen übrigens noch heute zu uns in die Praxis, wenn eine Behandlung notwendig ist oder eine Impfung ansteht. Toni hingegen blieb mit ihrem Bruder Pünktchen hier bei uns. Die beiden waren unzertrennlich und haben alles gemeinsam gemacht, geschlafen, gebalgt, gefressen, draußen rumgestreunt. Man sah die eine nie ohne den anderen. Das ging vier Jahre lang sehr gut, Pünktchen ist ein großer, kräftiger, sehr anhänglicher Kater gewesen, der eine ganz enge Beziehung zu Dr. Lorenz hatte und eindeutig ihr Kater war. So pflegte er immer seinen Kopf in ihre Hand zu legen, wenn sie schliefen, und wenn sich Frau Doktor umdrehte, dann wechselte auch Pünktchen die Seite und schmiegte seinen Kopf halt in die andere Hand.
Doch an einem Samstag im Sommer 2004 kam Pünktchen eines frühen Morgens unheilbar krank nach Hause. Es war sofort klar: Er hatte sich irgendwo draußen mit der FIP (Feline Infektiöse Peritonitis) infiziert, einer neuen Katzenkrankheit, für die es damals wie heute keine Behandlung gab, wenn sie erst mal ausgebrochen war. Deshalb musste Pünktchen zwei Tage später schwersten Herzens von seiner Ziehmutter erlöst werden. Eine Spritze, die Dr. Lorenz unendlich schwer gefallen ist, so schwer, dass sie die Geschichte von Pünktchens Tod immer noch nicht erzählen möchte.

Jeder merkt sofort, dass sie diesen Verlust bis heute noch nicht verwunden hat, genauso wenig wie Toni, die seitdem völlig verändert ist. Toni hat sich, seit ihr Bruder nicht mehr an ihrer Seite ist, dorthin zurückgezogen, wo sie zuerst war, nämlich ins Bad. Seit nunmehr sechs Jahren ist ihr angestammter Platz ein kleines Podest über dem WC. Dort fühlt sie sich einigermaßen sicher und geborgen. Sie hasst alles, was laut, hektisch und schnell ist. Dorthin flüchtet sie sich immer, wenn Fremde oder Gäste im Hause sind, denn das mag sie gar nicht. Ihre gesamte Körperhaltung strahlt seitdem Introvertiertheit, Verletzlichkeit und Angst aus ... ganz wie damals in der Röhre.

Toni ist eine sensible, kaum wahrnehmbare Katze, der es spürbar schwer fällt, ein "normales" Katzenleben zu führen. Anfassen lässt sie sich nur und ausschließlich von Renate Lorenz, hin und wieder auch mal von einem Kind oder einem einfühlsamen Erwachsen. Aber am liebsten ist es ihr, wenn niemand außer Renate Lorenz da ist, dann, so berichten eingeweihte Kreise, läuft Toni durch das ganze Haus, besucht Renate Lorenz und kuschelt sich zu ihr. Manchmal legt sie ihren Kopf dann sogar in ihre Hand ... genauso, wie es früher ihr Bruder Pünktchen machte.